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Präsentation Workshop Innenstadt

Interview zur "Innenstadt von morgen"

geführt am 04.11.2024 von Sophia Marina Winder mit Barbara Schaar und Lisa Müller-Schober

"Innenstadt von morgen" ist ein Projekt aus dem Smart Green City Programm der Stadt Konstanz. Die 73 vom Bund geförderten Modellprojekte Smart Cities sind Experimentierorte der integrierten Stadtentwicklung. Ziel des Förderprogramms ist es, Kommunen in Deutschland zu befähigen, vielfältige praktische Lösungspfade zu erkunden, um mittels intelligenter Technologien smarte, nachhaltige und transformative Entwicklungen bundesweit voranzutreiben. Die Innenstadt bildet hierfür den geforderten Raumbezug. Seit Beginn des Jahres wird nun mit dem Büro Gehl aus Kopenhagen das im Vorgängerprojekt erarbeitete Zukunftsbild Innenstadt konkretisiert und darauf aufbauend werden umsetzungsfähige Maßnahmen abgeleitet und Stück für Stück umgesetzt.

Lisa Müller-Schober

Lisa Müller-Schober

ist die Projektleiterin des Stadtplanungsbüros Gehl mit Hauptsitz in Kopenhagen. Gehl verfolgt den Ansatz, Städte für Menschen zu planen, also „Making Cities for People“. Das bedeutet, dass die Menschen in den Mittelpunkt der Stadtplanung und Projekte gestellt werden. Mit diesem Ansatz ist Gehl international tätig und Lisa Müller-Schober begleitet mit ihrer Expertise nun das Projekt „Innenstadt von morgen“ in Konstanz.

Portrait Barbara Schaar

Barbara Schaar

Architektin und Stadtentwicklerin ist die Projektleiterin des Projekts „Innenstadt von morgen“ im Programm Smart Green City und im Amt für Stadtplanung und Umwelt.

Frau Müller-Schober, was ist Ihr Ansatz bei Gehl?

Lisa Müller-Schober: Wir glauben, dass wir durch einen menschenzentrierten Ansatz bei der Planung und Gestaltung unserer Städte in der Lage sind, einige der dringendsten Herausforderungen unserer Städte zu lösen und gleichzeitig die Städte zu lebendigen Orten zu machen, die Menschen dazu einladen, miteinander zu interagieren und sich zu vernetzen.

Wir untersuchen, wie sich Menschen im öffentlichen Raum verhalten und analysieren Nutzungsmuster. Dafür kommen unsere Werkzeuge, zum Beispiel die Public Life App, zum Einsatz. Auf Basis der damit erhobenen Daten können wir unsere Empfehlungen so abgeben, dass sie den menschlichen Bedürfnissen möglichst gerecht werden. So passt unser Ansatz gut mit dem datenbasierten Konzept von Smart Green City zusammen.

 

Sie haben in der Stadt Konstanz eine PSPL-Studie durchgeführt, können Sie das näher erläutern?

Lisa Müller-Schober: Gerne. PSPL steht für „Public Space Public Life“, also öffentlicher Raum und öffentliches Leben. Mit diesen Studien untersuchen wir die Verhaltensmuster der Menschen im öffentlichen Raum. Wir schauen uns an: Wer sind die Menschen, die hier verweilen? Wie alt sind sie, wo bewegen Sie sich durch die Stadt und was machen Sie, wenn Sie verweilen?

Barbara Schaar: Wir haben in Konstanz an zwei Tagen im September mit freiwilligen Helfern in 32 Schichten in der Innenstadt, vom Rheinsteig bis Klein Venedig, Menschen in Bewegung und sich aufhaltende Menschen dokumentiert. Mittels Momentaufnahmen von jeweils 10 Minuten Dauer über 9 Stunden pro Tag hinweg ergab das über 500 Erfassungen, die anschließend vom Research and Development-Team von Gehl ausgewertet wurden.

Lisa Müller-Schober: Das bildet nun einerseits eine wertvolle Datengrundlage für die Entwicklungen in der Innenstadt. Andererseits aber liefert uns das die Möglichkeit, Vorher-Nachher-Vergleiche durchzuführen, wenn wir die Sofortmaßnahmen durchführen oder wenn längerfristige Projekte implementiert werden. So kann man die Wirkung beobachten: Wie wird das angenommen, wo muss man vielleicht nochmal nachbessern?

 

Welche Rolle spielen bei diesem Ansatz aktuelle Trends und Herausforderungen in der Stadtentwicklung, zum Beispiel die Mobilitätswende, Nachhaltigkeit oder der demographische Wandel?

Lisa Müller-Schober: Im Rahmen der Mobilitätswende wollen wir den öffentlichen Raum gerechter verteilen. Das bedeutet, mehr Platz zu schaffen für Fußgänger, Radfahrer und alternative Mobilitätsformen. Gleichzeitig müssen wir auch Lösungen finden, wie die Innenstadt für Lieferverkehr und den ÖPNV zugänglich bleibt.

Klimaschutz ist integraler Bestandteil unserer Planungen. Wir möchten mehr Grünflächen schaffen, um die Aufenthaltsqualität zu steigern und gleichzeitig das Stadtklima zu verbessern. Nachhaltigkeit bedeutet für uns auch, dass die Maßnahmen langfristig tragfähig und zukunftsorientiert sind.

 

Ein langfristiger Maßnahmenkatalog klingt teilweise noch sehr theoretisch. Wie kommen diese Konzepte im Stadtraum an?

Lisa Müller-Schober: So ein Katalog, das stimmt, klingt wirklich sehr theoretisch. Aber das ist keine Tabelle, in der Dinge aufgelistet sind, sondern ein Katalog, der mögliche Veränderungen im Stadtraum darstellt und aufzeigt, wie diese angestrebt und umgesetzt werden können. Parallel werden wir Sofortmaßnahmen durchführen, ausprobieren und danach bewerten und verbessern.

 

Können Sie uns noch mehr zu diesen Sofortmaßnahmen sagen?

Barbara Schaar: Wir möchten uns den bisher skizzierten Zukunftsbildern zur Innenstadt von morgen nähern und den Prozess zur Umsetzungsstrategie in der Innenstadt erlebbar machen. Die geplanten Sofortmaßnahmen greifen Impulse und Wünsche auf, wie beispielsweise nach mehr Grün oder mehr Aufenthaltsqualität und werden konkretisiert durch Beobachtungen, die wir während der PSPL-Studie machen konnten.

Lisa Müller-Schober: Die Sofortmaßnahmen stellen tolle urbane Testlabore dar, von denen wir für die Zukunft viel lernen können: Wie werden die Veränderungen angenommen und akzeptiert? Werden sie geschätzt, und was können wir daraus für die längerfristige Planung mitnehmen? Wir betrachten die Sofortmaßnahmen als Werkzeuge, um für die dauerfristigen Umsetzungen zu lernen.

 

Wie kommt das alles bei den Menschen an und welche Arten der Beteiligung werden durchgeführt?

Barbara Schaar: Bei der Grundlagenermittlung für dieses Projekt wurden umfangreiche Beteiligungen in verschiedenen Formaten mit AkteurInnen, StakeholderInnen und BürgerInnen durchgeführt, die wertvolle Beiträge leisteten. Im Rahmen der geplanten Sofortmaßnahmen werden wir hier erneut fragen und die Beteiligten mitnehmen. Auch ist es uns wichtig, Meinungsbilder einzuholen um falls erforderlich weiterentwickeln zu können.

Im Rahmen der Sofortmaßnahmen streben wir eine direkte Beteiligung als Feedbackmöglichkeit an, sodass wir Veränderungen von dort aus weiterentwickeln können.

Lisa Müller-Schober: Dafür stehen auch unsere Gehl-Werkzeuge zur Verfügung, mit denen wir die indirekte Akzeptanz testen können, indem wir uns ansehen: wie viele Menschen verweilen nun hier? Wie viel lebendiger ist die Straße geworden?

 

Wie sieht der weitere Zeitplan für die Innenstadtentwicklung aus und was sind die nächsten Schritte?

Barbara Schaar: Wir haben am 7. November dem TUA unsere bisherige Arbeit vorgestellt und einen Ausblick gegeben, wie es in den nächsten Monaten weitergehen wird. In erster Linie beschäftigen wir uns bis Jahresende und auch zu Beginn des Jahres 2025 damit, die Sofortmaßnahmen zu konkretisieren. Nach der Umsetzung werden wir die Wirkungen messen, um die Maßnahmen gegebenenfalls anzupassen oder weiterzuentwickeln. Unser Ziel ist es, eine lebendige und zukunftsfähige Innenstadt zu gestalten, die Vielfalt bietet und die Lebensqualität der BewohnerInnen ebenso sichert, wie die Attraktivität für BesucherInnen.

Lisa Müller-Schober: Vielen Dank für das Gespräch! Wir freuen uns auf die Innenstadt von morgen.

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